Zum Feiertagszuschlag bei staatlich nicht anerkannten Feiertagen

BAG, Urteil vom 17.8.2011 – 10 AZR 347/10

Sind in einem Bundesland Oster- und Pfingstsonntag nicht staatlich als Feiertag anerkannt und nicht als gesetzlicher Feiertag bestimmt, entfällt insoweit ein vereinbarter Feiertagszuschlag (Rn. 11, 12).

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 18. Februar 2010 – 3 Sa 186/09 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des Zeitzuschlags für die Arbeit am Ostersonntag und am Pfingstsonntag.
2

Der Kläger ist für die Beklagte im Schichtdienst tätig und hat in der Vergangenheit bereits an beiden Tagen Arbeitsleistungen erbracht.
3

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. § 10 TV-V regelt den Ausgleich für Sonderformen der Arbeit wie folgt:

„1.

Der Arbeitnehmer erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde

a)

für Überstunden 30 v.H.,

b)

für Nachtarbeit 25 v.H.,

c)

für Sonntagsarbeit 25 v.H.,

d)

für Feiertagsarbeit 135 v.H.,

e)

für Arbeit am 24. Dezember und am 31. Dezember 40 v.H.,

f)

für Arbeit an Samstagen ab 13.00 Uhr, soweit diese nicht im Rahmen von Wechselschicht- oder Schichtarbeit anfällt, 20 v.H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der Stufe 1 der jeweiligen Entgeltgruppe nach Maßgabe der Anlagen 3a und 3b.

Beim Zusammentreffen von Zeitzuschlägen nach Satz 2 Buchst. c bis f wird nur der höchste Zeitzuschlag gezahlt.

…“

4

Der TV-V ist zum 1. April 2002 in Kraft getreten. Bis zum 31. März 2002 kam bei der Beklagten der BMT-G-O zur Anwendung. Dieser regelte in § 22 die Zahlung von Zeitzuschlägen wie folgt:

„1.

Für die in Satz 2 genannten Arbeiten erhält der Arbeiter Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde

a)

für die Arbeit an Sonntagen 30 v.H.

b)

für nicht dienstplanmäßige Sonntagsarbeit, die keine Überstundenarbeit ist, 50 v.H.

c)

für Arbeit an

aa)

gesetzlichen Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und Pfingstsonntag

– ohne Freizeitausgleich 135 v.H.

– bei Freizeitausgleich 35 v.H.

des auf die Arbeitsstunde umgerechneten Monatsgrundlohnes der Stufe 1 der jeweiligen Lohngruppe.“
5

Ostersonntag und Pfingstsonntag sind in Sachsen-Anhalt nicht als gesetzliche Feiertage bestimmt. Bis einschließlich 2007 zahlte die Beklagte für die Arbeit an diesen Tagen einen Zuschlag von 135 %, seit 2008 einen solchen von 25 %.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Arbeit am Ostersonntag und am Pfingstsonntag sei Feiertagsarbeit iSv. § 10 Abs. 1 Buchst. d TV-V, und beantragt

festzustellen, dass der Kläger für tatsächliche Arbeitsleistungen am Ostersonntag und Pfingstsonntag neben dem Entgelt Zeitzuschläge iHv. 135 % gemäß dem TV-V erhält.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Feiertage iSv. § 10 Abs. 1 Buchst. d TV-V seien nur die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort. Sie habe bis 2007 irrtümlich höhere Zuschläge gezahlt.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

10

I. Die Klage ist zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Der Kläger arbeitet im Schichtdienst und hat bereits an beiden Tagen Arbeitsleistungen erbracht. Er hat ein rechtliches Interesse daran, die Höhe des Zuschlags vor einer erneuten Einteilung zur Arbeit an beiden Tagen durch richterliche Entscheidung feststellen zu lassen. Die Feststellungsklage kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Das Feststellungsinteresse ist dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (BAG 21. April 2010 – 4 AZR 755/08 – Rn. 19 ff., AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9). Dies ist vorliegend der Fall.

11

II. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 10 Abs. 1 Buchst. d TV-V. Sein Beschäftigungsort liegt in Sachsen-Anhalt. Ostersonntag und Pfingstsonntag sind in diesem Bundesland keine gesetzlichen Feiertage (vgl. die Aufzählung in § 2 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage idF vom 25. August 2004 – GVBl. LSA S. 538). Der Feiertagszuschlag nach § 10 Abs. 1 Buchst. d TV-V wird nur für die Arbeit an gesetzlich bestimmten Feiertagen am Beschäftigungsort geschuldet.

12

1. Der Wortlaut der Norm, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (BAG 23. Februar 2011 – 10 AZR 299/10 – Rn. 14, ZTR 2011, 491; 24. Februar 2010 – 10 AZR 1035/08 – Rn. 15, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 220), ist nicht ganz eindeutig. Der Zuschlag wird für „Feiertagsarbeit“ gezahlt, ohne dass ausdrücklich klargestellt wird, dass nur staatlich anerkannte oder gesetzlich geregelte Feiertage den Zuschlag auslösen. Tarifliche Regelungen über die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit knüpfen aber regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an, abweichende Regelungen müssen deutlich erkennbar sein (BAG 13. April 2005 – 5 AZR 475/04 – Rn. 17, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 192).

13

Anhaltspunkte für ein abweichendes tarifliches Verständnis des „Feiertags“ im TV-V bestehen nicht. § 9 TV-V definiert die in anderen Bestimmungen des TV-V verwendeten Rechtsbegriffe der „Sonderformen der Arbeit“. Eine eigenständige vom gesetzlichen Feiertagsrecht abweichende Definition des Begriffs der „Feiertagsarbeit“ fehlt.

14

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt diese Tarifauslegung. Nach § 8 Abs. 3 TV-V vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit für jeden „gesetzlichen Feiertag“. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass Feiertagsarbeit im Sinne dieser Norm anders zu verstehen ist als im Regelungszusammenhang von § 10 Abs. 1 Buchst. d TV-V. Dies spricht dafür, dass der TV-V Regelungen (nur) für gesetzlich bestimmte oder staatlich anerkannte Feiertage enthält.

15

3. Ein solches Tarifverständnis führt zu einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung. Der bundesweit geltende TV-V regelt keine länderspezifischen und konfessionellen Besonderheiten im Feiertagsrecht. Bei einem anderen, nicht an das gesetzliche Feiertagsrecht anknüpfenden Tarifverständnis müsste im Einzelfall geprüft werden, welcher sonstige, gesetzlich nicht bestimmte religiöse oder sonstige Feiertag in welcher Region für welche Beschäftigtengruppe den tariflich bestimmten Zuschlag auslöst. Ein solches Tarifverständnis ist nicht praktikabel. Tarifverträge knüpfen deshalb regelmäßig an die gesetzlich bestimmten Feiertage am Beschäftigungsort an (BAG 13. April 2005 – 5 AZR 475/04 – Rn. 17, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 192).

16

4. Schließlich führt auch die Tarifgeschichte zu keiner anderen Auslegung. Die Vorgängerbestimmung des § 22 BMT-G-O bezog den Ostersonntag und den Pfingstsonntag ausdrücklich in die Zuschlagsregelung mit ein. Der tarifliche Regelungsbedarf war den Tarifvertragsparteien somit bewusst. Eine vergleichbare Regelung enthält der TV-V jedoch nicht. Für die Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag ist deshalb nur der Sonntagszuschlag nach § 10 Abs. 1 Buchst. c TV-V zu zahlen.

17

III. Der Kläger hat nicht deshalb einen Anspruch aus betrieblicher Übung, weil die Beklagte seit dem Wechsel zum TV-V in den Jahren 2002 bis 2007 weiterhin einen Zuschlag von 135 % gezahlt hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte erst im Jahr 2008 erkannt, dass sie nach der Ablösung des BMT-G-O durch den TV-V den Feiertagskalender in ihrem Abrechnungssystem nicht korrigiert hat. Aus Sicht des Klägers, nach dessen Auffassung ein tariflicher Anspruch besteht, stellte sich die Gewährung des Feiertagszuschlags für Oster- und Pfingstsonntage als Erfüllung eines tariflichen Anspruchs dar. In einem solchen Fall wird die Leistungsgewährung nicht als stillschweigendes Angebot zur Begründung eines dauerhaften Anspruchs mit dem Inhalt einer übertariflichen Vergütung wahrgenommen, sondern als Normvollzug (BAG 17. März 2010 – 5 AZR 317/09 – Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Brotindustrie Nr. 9 = EzA TVG § 4 Brot- und Backwarenindustrie Nr. 2).

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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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